Die Geschichte der Fondation Jugend- an Drogenhëllef
Struktur

Organisationsstruktur der Jugend- an Drogenhëllef

Im Jahr 1986 wurde die Jugend- an Drogenhëllef (JDH) a.s.b.l gegründet.
Zunächst bestand eine Konvention mit dem Familienministerium, später zusätzlich auch mit dem Gesundheitsministerium.

Seit 1994 bestehen, neben einer Konvention mit dem Gesundheitsministerium (s.u.), zusätzliche Konventionen für spezifische Aufgaben mit einzelnen Gemeinden des Landes. Im Jahr 1998 wandelte der Verein seine Rechtsform in eine Stiftung um.

Entwicklung und Tätigkeitsbereiche der Jugend- an Drogenhëllef

Beratung

Im Jahr 1986 startete die JDH ihre Beratungstätigkeit mit vier Mitarbeiter:innen: ein Psychologe, ein Pädagoge, ein Erzieher und eine administrative Kraft bildeten das Ursprungsteam. Die ersten Beratungen fanden in den damaligen Büros in der Rue du Fort Wedell statt. Anfangs bot die Beratungsstelle Unterstützung durch Informations- und Beratungsgespräche für Konsumierende illegaler Drogen, für Angehörige, sowie für deren soziales und professionelles Umfeld an.

Neue Wege in der Drogenarbeit:
Substitution (Methadonprogramm) und niederschwellige Angebote (Streetwork, „offene Tür“)

Eine erste Ausweitung des Angebotes fand im Jahr 1989 statt. In Kooperation mit dem Gesundheitsministerium wurden Stellen ausgeschrieben „dans la lutte contre le SIDA et la toxicomanie“. Dies als eine konkrete Antwort der Politik auf die, sich in den 80er Jahren ausbreitende, Immunschwächekrankheit AIDS.
In dieser Zeit wurde international zunehmend (drogen)akzeptierende Arbeit, ergänzend zu den bereits bestehenden abstinenzorientierten Konzepten, eingeführt. Unter dem Begriff „harm reduction“ erfolgten Unterstützungsangebote für Konsumierende, um Erkrankungen, soziale Destabilisierung und Beschaffungskriminalität von Drogenabhängigen entgegenzuwirken.
Unser ambulantes Angebot einer Beratungsstelle wurde in diesem Sinne um ein aufsuchendes und durch ein kombiniertes medizinisches und psychosoziales erweitert: Streetwork und Methadonprogramm.  Diese neuen Behandlungsansätze waren dazu bestimmt, der aufkommenden Viruserkrankung AIDS entgegenzutreten und geeignete Hilfsangebote für die Konsument:innen bereitzustellen. Neu waren die Angebote eines Spritzentausches und einer medizinischen Alternative für Heroinkonsument:innen, das Medikament  Methadon zur Substitution  in flüssiger Form.

Methadonprogramm

Substitution mittels Methadon als Ersatzprodukt für Heroin, sollte eine präventive Wirkung gegen die Ausbreitung des HIV-Virus innerhalb der Population der intravenös Konsumierenden haben.
Unser Methadonprogramm war anfangs sehr hochschwellig angelegt und es standen insgesamt nur wenige Behandlungsplätze in der Stadt Luxemburg und in Esch-sur-Alzette zur Verfügung. Nachdem der positive Effekt einer Methadonsubstitution im Sinne einer Verminderung des Drogenkonsums, Reduktion der Beschaffungskriminalität und zunehmende psychosoziale Stabilität in umfangreichen Evaluationsstudien belegt werden konnte, erfolgte eine stetige Ausweitung und Differenzierung des Methadonprogramms.
In den nachfolgenden Jahren konnten neben einer eigenen Ausgabestelle der JDH in Esch-sur-Alzette im Jahr 1992, auch Apotheken und niedergelassene Ärzt:innen für die Mitarbeit gewonnen werden, wobei diese die Substitution bei psychisch und sozial stabilen Konsument:innen auch dezentral durchführen konnten. Hierdurch wurde im Verlaufe der Zeit eine weitgehend flächendeckende Substitutionsbehandlung  in Luxemburg ermöglicht.

Streetwork und „Offene Tür“

Ebenfalls im Jahr 1989 wurde, als Ergänzung zur Beratungsarbeit, der sogenannte aufsuchende Ansatz in Form von Streetwork in Esch-sur-Alzette eingeführt.  Verbunden mit dem Gratisangebot von Präservativen und Spritzentausch, wurden die Konsumierenden offensiv in ihrem Lebensfeld aufgesucht, ein für damalige Verhältnisse neuer Ansatz in der Drogensozialarbeit.
Hinzu kamen ab 1990 unsere ersten Räumlichkeiten in Esch-sur-Alzette. Zunächst als niederschwellige Anlaufstelle konzipiert, eine erste „offene Tür“ als Hintergrundeinrichtung zum Streetwork. Beide Angebote sollten den Klient:innen die Kontaktaufnahme bzw. den Zugang zur JDH erleichtern.
Im Rahmen des Angebotes einer „offenen Tür“ konnten Drogenkonsumierende die Räumlichkeiten der JDH ohne Termin aufsuchen. Hier können sie seither Getränke und kleine Snacks zu sich nehmen, bei Bedarf duschen und ihre Kleidung waschen.  Darüber hinaus können sie sich mit eventuellen Anliegen an die anwesenden Mitarbeiter:innen der JDH wenden. Auf diese Weise soll frühestmöglich Kontakt mit den Klient:innen hergestellt und die Inanspruchnahme von psychosozialer Unterstützung erleichtert werden.

Nationales Engagement

Die ursprüngliche Konvention mit dem Familienministerium wurde im Jahr 1994 abgelöst. Auf Beschluss der Regierung sollte fortan einzig das Gesundheitsministerium mit einem Drogenkoordinator für alle Angebote im Suchtbereich zuständig sein.
In enger Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium wurden die weiteren ergänzenden Angebote von Jahr zu Jahr geplant, koordiniert und umgesetzt. Von Anfang an wurde viel Wert auf eine gute Kooperation mit dem Ministerium und den, auf dem gleichen Gebiet agierenden, Partnern im Netzwerk gelegt.
Die zunehmende Differenzierung der Hilfsstrukturen insgesamt führte auch dazu, dass es seitens des Ministeriums zur Ausarbeitung von mehrjährigen Aktionsplänen kam.
Die Jugend- an Drogenhëllef wurde als starker und zuverlässiger Partner immer mit in diese Planung einbezogen und setzte nach und nach neue Ideen in Projekten, später in ganzen Abteilungen (Services) um.
Im Laufe der Jahre gründeten sich unter Mitinitiative der JDH weitere spezialisierte Angebote. In diesem Zusammenhang seien nur die nationale Präventionsstelle CePT (heute CNAPA) wie auch das Angebot an minderjährige Konsument:innen „MSF-Solidarité -Jeunes“ (heute Service Impuls im Rahmen der Organisation SOLINA), erwähnt. Im Rahmen unserer Weiterentwicklung orientierten wir uns – in Absprache mit dem Gesundheitsministerium und den betreffenden Gemeinden – an den Grundsätzen einer Spezialisierung und Regionalisierung unserer Angebote.

Niederschwellige Arbeit im Kontakt 25 bzw. Kontakt 28

Im Jahr 2000 wurde im Bahnhofviertel der Stadt Luxemburg die niedrigschwellige Anlaufstelle namens „Kontakt 25“ die später, nach einem Umzug, in „Kontakt 28“ (K28) umbenannt wurde, eröffnet. In diesem Treffpunkt können volljährige Drogenkonsumierende auch ohne Abstinenzwunsch zwanglos und ohne Termin vorbeikommen. Hier können sie ihrem Bedürfnis des täglichen Bedarfs an Nahrung oder Hygiene nachgehen. Neben der Erfüllung von Grundbedürfnissen findet Prävention zur Förderung risikoärmeren Gebrauchs von Drogen (safer-use), z.B. via Spritzentausch und risikoarmer Sexulalpraktiken (safer-sex), statt. Auf Wunsch erfolgt Suchtberatung und Orientierung zu weiterführenden Angeboten.
Das zugrundeliegende Prinzip dieser Form der niederschwelligen Arbeit liegt in der Möglichkeit eines unverbindlichen Kennenlernens mit nachfolgendem Aufbau einer Vertrauensbeziehung. Oft ergibt sich hieraus die Möglichkeit einer Sozialbetreuung und, je nach individueller Situation, weiterführender Maßnahmen im interdisziplinären Team.

Betreutes Wohnen

Das inhaltliche Angebot der JDH wurde im Jahr 2000 durch den Service Les Niches – Betreutes Wohnen ergänzt. Diese lang geplante und durchdachte Initiative war eine Reaktion auf die zunehmende Schwierigkeit unseres Klientels, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Dass die Gründung dieses Angebots nötig war, konnten wir im Rahmen unserer 20+1 Jahre-Feier im Oktober 2021 dokumentieren und präsentieren. Der Service Les Niches nahm im Laufe der letzten Jahre eine rasante Entwicklung. Es ist der guten Arbeit im Netzwerk zu verdanken, dass wir auch heute immer noch bezahlbaren Wohnraum für unsere Klient:innen finden.

Medizinisches Angebot

Im Jahr 2002 konnten wir, für das in den vergangenen Jahren gewachsene Angebot des Methadonprogramms, einen Arzt einstellen. Durch die Mitwirkung des Arztes wurde der medizinische Aspekt unserer Angebote insgesamt gestärkt und die Versorgungssicherheit der Klient:innen verbessert. Auch dieser Bereich ist mittlerweile dabei, sich zu einem eigenständigen Angebot, dem Service Médical zu entwickeln.

Service Parentalité

Im Jahre 2003 erweiterten wir unser Angebot um den Service Parentalité. Diese Ausweitung war eine logische Entwicklung angesichts der Tatsache, dass in der Beratung zusehends mehr konsumierende schwangere Frauen vorstellig wurden.  Die Gründung unseres neuen Service Parentalité sollte sich dieser Situation und aufkommenden Problematik annehmen und Hilfsangebote entwickeln, die es den Kindern drogenkonsumierender und –abhängiger Eltern ermöglichen sollte, sich in einem möglichst positiven Umfeld zu entwickeln. Diesen Rahmen so weit wie möglich zu garantieren, die Elternkompetenz zu unterstützen, ist neben der Förderung und Unterstützung der Kinder zum Schwerpunkt des Service geworden.

Beratung und „Offene Tür“ im Norden Luxemburgs

Ebenfalls im Jahr 2003 starteten wir in Ettelbrück ein erstes Beratungsangebot für den Norden des Landes. Diese Beratungstelle wurde im Jahr 2014 durch den Service Contact Nord im Bahnhofsviertel ergänzt. Seither bieten wir dort dreimal in der Woche einen niederschwelligen Zugang in Form eines Kontaktladens an. Darüber hinaus arbeitet hier unserer Beratungsstelle nach Terminabsprache. Im Bedarfsfall werden die Räumlichkeiten zusätzlich von Service Parentalité und Service Les Niches genutzt. Somit sind, mit Ausnahme des Substitutionsprogramm, dessen Ausweitung derzeit geplant wird, alle Abteilungen der JDH im Norden des Landes aktiv.

MOPUD/Xchange - Mobiles Angebot

In Rücksprache mit dem Gesundheitsministerium, riefen wir im Jahr 2015, zusammen mit den Partnerorganisationen Croix-Rouge luxembourgeoise (HIV-Berodung) und CNDS (Abrigado), das mobile Projekt MOPUD/Xchange ins Leben. In einem Kleinbus der HIV-Berodung bieten wir mobile und dezentrale Angebote zu den Themen HIV und Hepatitis. Aktuell ist der Bus einmal wöchentlich in Esch-sur-Alzette und alle 14 Tage in Differdange.
Da es an einer geeigneten Stellfläche für den Bus im Bahnhofsviertel der Stadt Luxemburg fehlt, bieten wir seit Herbst 2021 einmal pro Woche ein entsprechendes Angebot außerhalb der regulären Öffnungszeiten in unseren Räumlichkeiten im Kontakt K28 an, um für unserer Klientel auch abends erreichbar zu sein.
Aktuell laufen Verhandlungen mit mehreren Nordgemeinden und einer Südgemeinde, um dort in Zukunft weitere mobile Anlaufstellen anbieten zu können.

Ausweitung der Substitution:
Substitution mit pharmazeutischem Heroin

In unserem Hauptsitz in Luxemburg starteten wir im Jahr 2017, zusätzlich zur „klassischen Substitution“ mit Methadon, mit dem Pilotprojekt TADIAM ein neues Angebot. Hierbei erfolgt die Substitution mit synthetischem Heroin, welches die Betroffenen unter Beobachtung ein- bis zweimal täglich in Form von Tabletten in der Ausgabestelle vor Ort einnehmen.
Die Ziele dieser heroingestützten Behandlung sind vielfältig. Neben einer medizinisch-psychosozialen Stabilisierung inklusive der Prävention von HIV-, Hepatitis- und weiterer drogenbedingter Erkrankungen, soll der Konsum anderer illegaler Drogen und die damit verbundene Beschaffungskriminalität bzw. Prostitution reduziert werden. Darüber hinaus soll diese Maßnahme dazu beitragen, die soziale Integration zu verbessern und die Arbeitsfähigkeit der substituierten Personen zu fördern.

Das Maison Kangourou - Betreutes Wohnen für Schwangere und Familien mit Kleinkindern:

Infolge der akuten Wohnungsnot und fehlender adaptierter Wohnstrukturen, denen der Service Parentalité bei drogenkonsumierenden Schwangeren bzw. bei Eltern mit (Klein)kindern begegnete, wurde im Jahre 2019 das Maison Kangourou eröffnet. In seinen 3 Wohneinheiten bietet es jenen abhängigen Eltern zeitlich begrenzt Unterkunft (1-2 Jahre), die bereit sind, die mit dem Aufenthalt verbundene sozial-pädagogische Unterstützung konstruktiv zu nutzen und intensiv an der Bindung ihrem Kind zu arbeiten.

Ausweitung der niederschwelligen Arbeit: Drogenkonsumraum

Zusätzlich zu unseren bisher bestehenden niedrigschwelligen Anlaufstellen im Zentrum von Esch-sur-Alzette und in Luxemburg-Stadt, eröffneten wir im Herbst 2019 den Service Contact in Esch-Lallange. Damit gibt es – neben dem Abrigado (CNDS) in Luxemburg-Stadt – einen zweiten offiziellen Konsumraum im Land.
Nach Einschreibung und bei Anwesenheit von Pflegepersonal, können die Konsumräume zum intravenösen und inhalativen Konsum von illegalen Drogen genutzt werden. Dies ermöglicht nicht nur, die Konsumierenden für die Risiken des Drogengebrauchs zu sensibilisieren, sondern es erlaubt zusätzlich, den Konsum unter hygienisch korrekten Bedingungen durchzuführen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit des medizinisch geschulten Personals, beim Auftreten von (lebens)gefährlichen Folgen des Drogenkonsums, der bis zu tödlichen Überdosen reichen kann, sofort vor Ort professionell zu intervenieren.
Dieser Konsumraum ist Teil eines integrierten Projekts. In einem großen Aufenthaltsraum stehen den Konsument:innen Getränke und kleinere Speisen zur Verfügung, darüber hinaus können sie verschiedene Spiel- und Freizeitangebote nutzen. Das multiprofessionelle Team bietet Beratung bei persönlichen, medizinischen und administrativen Problemen an.

ViTo - Ältere Konsumierende

Bedingt durch verstärkte niederschwellige Angebote, durch Substitution und flankierende Sozialarbeit, zeigte sich im Laufe der Jahre eine zunehmende Verbesserung des gesundheitlichen Zustandes der Klientel. Da die Konsumierenden im Schnitt heute älter werden als früher, treten zunehmend Langzeitschäden aufgrund eines längeren Konsumzeitraums in Erscheinung. Hierdurch rückte das Thema der „älteren Konsument:innen“ (ViTo= Vieux Toxicomanes) mehr und mehr in den Fokus, sodass wir uns aktiv an einem mehrjährigen europäischen Projekt, welches sich speziell der Thematik der älteren Drogenabhängigen widmete, beteiligten. Seither arbeiten die Abteilungen „Contact“, „Substitution“ und „Les Niches“ in diesem speziellen Bereich eng zusammen.
Im Jahr 2020 konnten wir für dieses Aufgabengebiet eine Stelle mit einer Krankenpflegerin besetzen. Ihre Aufgabe ist es, sich um die Bedürfnisse der älteren Konsument:innen  zu kümmern und ein Netzwerk zu deren Versorgung aufzubauen.

Suchtberodung online

Anfang des Jahres 2020 starteten wir in Kooperation mit den Partnerorganisationen CNAPA und IMPULS die „Suchtberodung online“. Diese Mailberatung ist mittlerweile ein ständiges Angebot für Klient:innen, die gerne im schriftlichen Austausch über ihre Situation kommunizieren. Zum Teil ist sie auch ein erster Einstieg in das Drogenhilfesystem überhaupt und wird ergänzend zu persönlichen Terminen genutzt.

Rückblick und Ausblick

Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass sich die JDH in den mittlerweile 36 Jahren ihres Bestehens stetig den aufkommenden Bedürfnissen seiner Klientel angepasst hat.  In enger Absprache mit dem Gesundheitsministerium, den Gemeinden, der Oeuvre Grande Duchesse Charlotte, sowie mit dem Fonds de Lutte contre certaines formes de criminalité, wurden immer wieder neue konstruktive und kreative Ansätze in die Arbeit der JDH aufgenommen und realisiert.
In unsern sechs Abteilungen, die jeweils ganz unterschiedliche Bereiche der Drogenarbeit abdecken, sind inzwischen – Stand Sommer 2023 – insgesamt 76 Mitarbeiter:innen unterschiedlichster Berufsgruppen aktiv.
Die gesamte Arbeit findet mittlerweile in einem weit verzweigten nationalen Netzwerk statt, wobei der Zusammenarbeit mit den Gemeinden zunehmend mehr Bedeutung zukommen wird. Der Grundsatz der Dezentralisierung und Spezialisierung wird weiter verfolgt, stellt uns aber gerade beim Suchen geeigneter Räumlichkeiten mit barrierefreiem Zugang und guter Erreichbarkeit für die Nutzer:innen vor große Probleme.